Mühlen schreiben Wirtschaftsgeschichte
Mühlen waren bis an die Schwelle des Industriezeitalters die größten und wichtigsten Maschinen, welche die Menschen kannten. Sagen und Legenden umgeben das knirschende Räderwerk. Müller waren oft geheimnisvolle Gestalten[i]. In einer Getreidemühle konnte es durch Verpuffungen urplötzlich zu Explosionen kommen, die den Mitmenschen völlig unerklärlich waren. Manche Legende vom Teufel, der einen Müller geholt hat, mag hier ihren Ursprung haben.
Im Frühmittelalter diente die Mühlentechnik dem Mahlen von Getreide. Seit dem Hochmittelalter änderte sich das zunehmend, die Mühlentechnik hielt auch in andere Gewerke Einzug. Zum Polieren und Schleifen konnte dabei die kreisförmige Bewegung in der Anlage genutzt werden. Zunehmend seit dem 12. und 13. Jahrhundert wurden jedoch Getriebe eingesetzt, durch die eine kreisförmige in eine geradlinige Bewegung umgewandelt werden konnte. Nun konnten Mühlen zum Stampfen und Walken, zum Betrieb von Blasebälgen, zum Sägen und für vieles andere eingesetzt werden. Diese vielfältige Nutzung von Mühlen wird aus einem Text deutlich, der am Anfang des 13. Jahrhunderts im Kloster von Clairvaux entstand:
»Ein Arm dieses Flusses durchquert die zahlreichen Werkstätten der Abtei, (…) sein Bett (…) hat nicht die Natur ausgehöhlt, sondern die Arbeit der Mönche (…) In die Abtei eingelassen (…), stürzt er sich zuerst mit Ungestüm in die Mühle, wo er sehr beschäftigt ist und sehr viel aufwirbelt, sowohl um das Korn zwischen den Mühlsteinen zu zerstoßen, als auch um mit dem feinen Sieb das Mehl von der Kleie zu trennen. Schon füllt er im benachbarten Gebäude die Kessel und vertraut sich zum Aufkochen dem Feuer an, damit er für die Brüder das Getränk bereite (…) Aber der Fluß sagt sich noch nicht los, die Walker, die nahe der Mühle sind, laden ihn zu sich ein (…) Er hebt und senkt abwechselnd die schweren Stampfer, die Holzfüße, (…) er erspart den Walkern eine schwere Arbeit (…) Wie er mit beschleunigtem Wirbeln so viele schnelle Räder dreht, so verläßt er sie schäumend (…). Er tritt in die Lohgerberei, wo er, um die notwendigen Materialien für das Schuhwerk der Brüder zu bereiten, seine emsige Arbeit anbietet. Dann teilt er sich in eine Menge kleiner Arme (…) und sucht überall aufmerksam jene auf, die seinen Dienst benötigen (…), ob es sich darum handelt zu kochen, zu sieben, zu drehen, zu zerreiben, zu bewässern, zu waschen, zu mahlen oder einzuweichen; seine Mitwirkung anzubieten, verweigert er nie. Schließlich (…) entfernt er den Unrat und läßt alles sauber hinter sich.«[2]
Mit dem Mühlengraben sind hier weitere Funktionen der Wassernutzung verbunden. Er transportiert das Wasser in die Werkstätten des Klosters, in die Küche, und am Ende durchquert das künstliche Fließ die Latrine. Eindrucksvolle Überreste derartiger Wasseranlagen für eine mehrfache Nutzung in Mühlen und im Kloster können zum Beispiel noch im Kloster Neuzelle im Norden der Niederlausitz besichtigt werden. Für das Kloster Pforta bei Naumburg wurde ein künstlicher Arm der Saale geschaffen, in Bad Kösen aus der Saale abgezweigt, durch das Kloster geleitet und vor Naumburg wieder in den Fluss zurückgeführt.
In Brandenburg ist die Nieplitz bei und in Treuenbrietzen zu großen Teilen ein solch künstliches Fließ. Seine Anlage dürfte mit Aktivitäten der Zisterziensermönche aus Kloster Zinna im Zusammenhang stehen:
»Eine besondere Bedeutung als Einnahmequelle hatten für Zinna die Mühlen in Treuenbrietzen. Das Kloster gewann um 1300 im Umkreis von einer Meile um die Stadt für einige Jahrzehnte die alleinige Verfügungsgewalt über die fließenden Gewässer, angeblich sogar über Wind und all Wasser, wie es in der jüngeren Übersetzung einer der Urkunden der Markgrafen (von 1304/05) im sogenannten Weißen Buch, einem Kopialbuch der Stadt Treuenbrietzen, heißt. Kurz zuvor hatte der Erzbischof von Magdeburg dem Kloster die Nieplitz, die durch Brietzen fließt, von der Mündung bis unterhalb des Waldes Havelbruch und innerhalb der Stadt mit allen Zuflüssen verkauft. […] Zinna richtete mindestens einen Mühlenhof ein. In der Stadt erhielt auch der Zinnaer Mühlenmeister (1331: Magister molendinorum in Brytzna), ein Mönch mit den entsprechenden technischen Kenntnissen, seinen Sitz.«[3]
Ohne selbst die Erfinder der Mühlentechnik zu sein – Wassermühlen sind bereits aus der Antike bekannt – leisteten Klöster doch vielfach einen wichtigen Beitrag zur Durchsetzung dieser Technik. Der französische Historiker Marc Bloch (1886–1944) führt in einem grundlegenden Aufsatz über Antritt und Siegeszug der Wassermühle viele Belege hierfür an. Die Klöster hätten »durchaus einen Sinn für die Einsparung von Arbeitskräften« gehabt. »Der weise Abt von Loches zog es vor, daß eine Wassermühle, an der ein Bruder die Arbeit von mehreren verrichtet, eine ganze fromme Heerschar freisetzte, wahrscheinlich fürs Gebet.«[4]
Bei der Durchsetzung der Mühlentechnik in ihren Dörfern waren die Mönche nicht immer zimperlich. Viele Bauern nutzten in ihren Häusern noch Handmühlen. Damit sich die Investition in eine Wassermühle lohnte, musste mitunter nachgeholfen werden: »Beschlagnahmung oder sogar Zerstörung von (Hand-)Mühlsteinen, sogar im Inneren der Häuser, durch die Fußknechte des Herrn; Aufstände von Frauen; Prozesse, in denen die Pächter, einen aussichtslosen Kampf immer wieder aufnehmend, regelmäßig den kürzeren ziehen: Der Lärm dieser Streitigkeiten erfüllt noch im 13. und 14. Jahrhundert die klösterlichen Chroniken und Urkunden.«[5] Die neuere Forschung ist allerdings etwas zurückhaltender geworden, die Durchsetzung der Wassermühlen nur als dauerndes aggressives Ringen zu sehen, in dem der Grundherr den Mühlenbann energisch durchsetzte, »also den Zwang für die Bewohner einer Grundherrschaft, die Mühle des Grundherrn zu nutzen. Neuere Forschungen legen eher eine freiwillige Nutzung dieser arbeitssparenden Maschine auch durch Nutzer außerhalb der jeweiligen Grundherrschaft nahe.«[6]
Teiche und Mönche
Wo keine kräftigen Flüsse zur Verfügung standen, gehörte ein Teich zur Mühle. Er diente als Wasser- und damit Energiespeicher für trockene Zeiten. Wenn das Wasser im Lande knapp wurde, konnten die wichtigen Mühlen weiter betrieben werden.
Bis heute können Teiche auch über den engeren Zweck der Mühlenwirtschaft hinaus Landschaften prägen. Wer durch solche Teichlandschaften wandert, begegnet ihm noch heute auf Schritt und Tritt: dem Mönch. Dies ist der Name jener technischen Einrichtung, die das Regulieren des Wassers im Teich oder schließlich auch das Ablassen des gesamten Wassers ermöglicht. Der Name Teichmönch für diese wichtige Einrichtung drängt den Schluss auf, dass Mönche die ursprünglichen Einrichter der Teichwirtschaften in den mittelalterlichen Klosterlandschaften waren. Folglich war beispielsweise in der Berliner Zeitung im Dezember 2004 über das älteste Kloster der Niederlausitz zu lesen:
»Der älteste künstliche Teich bei Doberlug-Kirchhain stammt sogar aus dem 13. Jahrhundert. (…) Um ganzjährig Fische züchten zu können, wurden dann vor allem an Klöstern künstliche Teiche angelegt. Daran erinnert noch heute der Name der Stöpsel, mit denen die Teichabläufe verschlossen sind: Mönche.«
Auch im Alpenraum, in der Steiermark, ist diese Begründung zu finden: Weil in den Klöstern Fisch als Fastenspeise benötigt wurde, »war es naheliegend, dass Mönche hier hunderte Teiche anlegen ließen. Die Bezeichnung (Teich-)Mönch als heute am stärksten verbreitete Form eines Teichablasses, welcher der schrittweisen Regulierung des Wasserstandes dient, hält die Erinnerung an das Christentum in seiner Bedeutung für die Entwicklung und Ausbreitung der Teichwirtschaft aufrecht.«[7] So wird der Name Teichmönch oft als das entscheidende Indiz für die Vermutung gewertet, dass eingewanderte Mönche in verschiedenen Landschaften Teiche anlegten und die Karpfenzucht einführten.
Hier ergeben sich Fragen: Wie umfangreich waren die Spuren tatsächlich, die der Wasserbau der Klöster in verschiedenen Landschaften hinterlassen hat? Oder einfacher: Wie kommt der Mönch ins Wasser? Was könnte der Name außerdem bedeuten?
Teiche sind künstlich angelegte Wasserbehälter, vor allem für die Fischzucht oder zur Energiegewinnung an einer Wassermühle, als Viehtränke oder als Behälter für Löschwasser. Zum Teichbau musste gegraben werden, darauf verweist bereits die enge sprachliche Verwandtschaft des Wortes Teich mit dem Deich. Beides sind künstliche Anlagen zur Haltung von Wasser. In Süddeutschland wird stattdessen das Wort Weiher verwendet. Das ist eine Übernahme aus dem Lateinischen, von vivarium herzuleiten und mit Tierbehälter oder eben Fischbehälter zu übersetzen.
Die ältesten schriftlichen Belege für die Existenz solcher Teiche sind zwar oft im Zusammenhang mit Klosteranlagen zu finden. Doch haben die Mönche die Teiche nicht angelegt. Vielmehr bekommen die Klöster bereits existierende Teiche geschenkt. Für das Kloster Dobrilugk in der Niederlausitz ist (nach einem in jüngerer Zeit auf das Jahr 1199 gefälschten Beleg) der erste echte Beleg für die Bewirtschaftung von Teichen in einer Urkunde aus dem Jahre 1269 überliefert, in der ein Graf dem Kloster unter anderem das Eigentumsrecht an zwei und einem halben Teich beim Dorf Knissen (Landkreis Elbe-Elster) in der Nähe von Bad Liebenwerda überlässt. Zuvor war ein Ministeriale des Grafen Besitzer der Teiche. Damit ist es naheliegend, dass die Teichanlagen auf Initiative weltlicher Herrschaftsträger eingerichtet wurden und lokale Expertise im Ufer- und Dammbau deren Grundlage gewesen sein dürfte. Somit ist das erste Zeugnis einer regionalen Teichwirtschaft im Umfeld des niederen Adels zu fassen. Die Mönche von Dobrilugk gelangten lediglich in den Besitz bereits bewirtschafteter Teiche. Auch kurze Zeit darauf, aus dem Jahr 1276, erfahren wir von einem Rechtsstreit um einen Teich, der den Mönchen übereignet worden war, nachdem er bereits existierte und offenbar einen beachtenswerten Gewinn abwarf.
Aus all dem lässt sich schlussfolgern, dass die ältesten Teiche im Bereich des Klosters Dobrilugk nicht unter dem unmittelbaren Zutun der Mönche entstanden sind, sondern ihnen geschenkt wurden. Auch für andere Klöster liefern die ältesten Urkunden ähnliche Befunde, was jedoch nicht ausschließt, dass hier und da Mönche auch an der Einrichtung von Teichen beteiligt waren. Wichtig ist jedoch, dass die Kunst des Teichbaus nicht nur in den Klöstern zu Hause war, sondern insgesamt deutlich darüber hinaus verbreitet war.
Einen ähnlichen Befund liefert uns ein Tauchgang nach dem Teichmönch.[8] Die Bedeutung des Terminus Mönch kann vielfältig sein und hat oft nichts mit Klostergeistlichen zu tun. Als technischer Ausdruck ist er – nach dem Wörterbuch der Brüder Grimm – im Bauwesen zu finden, als »senkrechte Spindel an einer Wendeltreppe; auch die Spindel auf dem Gipfel eines Thurmes oder anderen Gebäudes, welche den Knopf trägt.«[9] Bekannt sind darüber hinaus der Mönch als Dachziegel, als Nuss bei der Waffenherstellung und in verschiedenen Zusammenhängen der Metallurgie. So taucht er nicht nur als blasse Stelle beim Buchdruck auf, sondern ebenso bei Gussverfahren als eine Art Stempel, der mit einem hölzernen Hammer geschlagen wird: »Schlag den Münich mit einem Schlag oder viere mit einem hülzern Schlägel ins Futter (…).« heißt es in einem Bergwerksbuch aus dem 16. Jahrhundert.[10] In der Seidenmanufaktur konnten die verpuppten Raupen als Mönche bezeichnet werden.
Über den Mönch im Teichbau schreibt der österreichische Autor Wolf Helmhardt von Hohberg (1612-1688): »(…) will man nicht am Ende des Damms Fluthrinnen machen, so setzet man doch etliche Münche (das sind hohle breite Hölzer an den Damm).« Ein technologisches Wörterbuch des 18. Jahrhunderts hebt hervor, der Mönch sei der »in die Höhe gerichtete Spund oder Zapfen im Ablass eines Teiches; aber auch manchmal der ganze Ablass selbst.« Jene einst in die Höhe gerichtete und damit einsam stehende Spindel könnte somit – wie bei der Treppenspindel, dem Dachziegel Mönch oder die auf eine höher stehende Lettern zurückzuführende Blasstelle eines Druckerzeugnisses – bei der Benennung Pate gestanden haben.
Das griechische μοναχος, aus dem sich der in die nordgermanischen Sprachen eingegangene Mönch herleitet, ist eben in seinem ursprünglichen Ausgangssinn von allein/einsam Stehender auch in diesen technischen Einrichtungen wiederzufinden, ohne das der Gebrauch des Wortes den geringsten Hinweis auf die Tätigkeit von Klostergeistlichen als Erfinder der entsprechenden Technik liefert.
Nachdem die weit verbreitete Meinung von den Zisterziensern als Pionieren der Zivilisation, wie sie etwa aus den Texten von Theodor Fontane spricht, heute durch viele Forschungen in Teilen fragwürdig geworden ist, darf jedoch nicht in das Gegenteil verfallen und den Mönchen jegliche Kulturleistung abgesprochen werden. So wandte sich Winfried Schich zwar gegen die Lehre von den Zisterziensern als Pionieren der Zivilisation, plädierte jedoch für eine differenzierte Sicht der Zusammenhänge. Dies »wird in manchen älteren und populären Darstellungen übersehen, in denen den Zisterziensern das Verdienst zugeschrieben wird, christliche Kultur und Zivilisation in deutschem Gewande nach Osten getragen zu haben.«[11]
Nun muss zunächst festgehalten werden, dass Fisch für die Klöster tatsächlich eine außerordentliche Rolle als Fastenspeise spielte. Von der Wertschätzung des Fisches spricht beispielsweise dessen Erwähnung in dem Werk Didascalicon de studio legendi des Augustiner-Chorherrn Hugo von St. Viktor (gest. 1141). Vor allem bei der Etablierung derartiger Fastenspeise in der Gesellschaft haben Klöster sicher eine bedeutende Rolle gespielt. Der Verzicht auf Fleisch wurde zu einem kulturellen Phänomen weit über die Klöster hinaus. Massimo Montanari führt in seiner Kulturgeschichte der Ernährung in Europa aus, die kulturelle Wertschätzung des Fisches im Christentum habe sicher auch bedeutet, dass sie sowohl
»(…) mit einer bestimmten heidnischen Vorstellung vom Fleischverzehr in Verbindung standen als auch mit der durch Schriften der Medizin wissenschaftlich bestärkten Konvention, dass der Genuss von Fleisch sexuelle Ausschweifung (…) begünstige. (…) Der Kampf zwischen Fleisch und Fisch, zwischen Karneval und Fastenzeit, ist ein seit dem Beginn des 13. Jahrhunderts verbreiteter rhetorischer Kunstgriff, der eine tiefgehende kulturelle Integration des Konsums von Fleisch und Fisch in sich birgt, die zwar einander gegenüberstehen, sich aber auch ergänzen und im Laufe des Jahres ritterlich einander abwechseln.«[12]
In diesem Prozess wurden die Mönche auch innovativ tätig. In den großen Teichwirtschaften wurde intensivere Ausbeute erreicht, indem eine differenzierte Verwendung der Teiche eingeführt und in Fachtexten verbreitet wurde. Ein wichtiger Text dieser Art ist das Werk De piscinis Libri V des Olmützer Bischofs und vormaligen Kanonikers Jan Dubravius (um 1486-1553). Neben Ausführungen zur wassertechnischen Einrichtung von Teichwirtschaften gibt es genaue Belehrungen zur Differenzierung und Ertragssteigerung von Teichwirtschaften. Die Samenteiche dienen der Nachzucht von Jungfischen, im Streckteich wachsen die Jungfische heran und die beiden großen Teiche, die in der Teichwirtschaft auch als Wachsteiche bezeichnet werden, dienen der Karpfenmast. Nach zwei bis drei Jahren in diesen Teichen werden die Tiere verkauft.
In solchen Texten und ihrer Verwendung lag offensichtlich der Schwerpunkt klösterlicher Innovationstätigkeit. Die Geistlichen vermochten es, vorhandene Techniken politisch-organisatorisch zu systematisieren, wobei sie nicht zuletzt auf ihre Möglichkeit des rationellen Einsatzes von Schriftlichkeit zurückgreifen konnte. Die Tätigkeit der Mönche hat in vielen Archiven eine umfangreiche Überlieferung hinterlassen.