Schwestern als Öko-Pioniere

Der Klostergarten der Abtei Fulda wird nach biologischen Grundsätzen bewirtschaftet. Schwester Christa Weinrich ist die zuständige Gärtnermeisterin – Ihre langjährigen Erfahrungen gibt sie gerne an andere Menschen weiter.

Ein Text von Christa Weinrich und Martin Erdmann

Wenn man einem alten Merkspruch glauben möchte, sollte sich ein Benediktinerkloster auf einem Berg befinden. Denn es heißt, Benedikt habe die Berge bevorzugt, Bernhard die Täler und Franziskus die Städte. Tatsächlich findet man nur selten ein Benediktinerkloster mitten in der Stadt. In Fulda gibt es solch eine Ausnahme: die Abtei der Heiligen Maria zu Fulda, gegründet 1626, also vor nahezu 400 Jahren.

Wer vom Bahnhof ins Fuldaer Zentrum geht, stößt nach wenigen Minuten nicht nur auf Geschäftsstraßen und Einkaufszentren, sondern auch auf eine lange, altertümliche Mauer. Sie ist so hoch, dass man sie nicht überschauen kann. Doch ein paar Schritte weiter entdeckt man die Kirche mit ihrem kleinen Dachreiter. Mitten im hektischen Treiben der Stadt befindet sich der Mikrokosmos eines Benediktinerinnenklosters mit allem, was zu einem Kloster gehört.

Auf dem Klostergelände befindet sich ein wunderbarer, nicht allzu großer, aber sehr vielseitiger Klostergarten, der nicht nur dem Kloster zur Versorgung dient, sondern auch ein Pionierort des biologischen Gartenbaus ist. Die Schwestern sind vor nahezu 70 Jahren eher durch Zufall auf ein Pulver gestoßen, das in winzigen Mengen Garten- und Küchenabfälle in erstaunlich kurzer Zeit zu Kompost reifen lässt. Begeistert von dieser Erfahrung, bemühten sich die Nonnen darum, das Pulver auch in ihrem Kloster herstellen zu dürfen. Es gelang, und als „Humofix“ ist dieses unscheinbare Präparat schon lange im Handel und ein bewährter Helfer im Garten.

Schwester Christa Weinrich ist Leiterin des Fuldaer Klostergartens und gibt uns Einblicke in ihre tägliche Arbeit. Sie berichtet, wie erfüllend die Tätigkeit als Gärtnerin für sie ist: Wir haben zwei Gärten. An die Kirche ist in einem Quadrum das Hauptgebäude angebaut. Im Innern dieses Vierecks liegt der Kreuzgarten mit einem Brunnen in der Mitte. Dieser Garten als Ort der Sammlung hat mehr symbolischen Charakter. An das Hauptgebäude schließt sich das Gartengelände an, das an der Süd- und Westseite des Klosters zwei große zusammenhängende Flächen ausfüllt und von der fast 400 Jahre alten Mauer zur Stadt hin begrenzt und abgeschirmt wird.

Nutz- und Ziergarten in harmonischem Ambiente

Es ist zu vermuten, dass der Garten von jeher, wie alle mittelalterlichen Klostergärten, sowohl ein Ort der Sammlung und Ruhe, andererseits aber auch ein Nutzgarten war, der zur Ernährung der Klostergemeinschaft und zusätzlich noch vieler Gäste und Armen diente. Darüber hinaus gaben die Klostergärten und die Klostergärtner wichtige Impulse für die Gartenkultur ihrer Umgebung. Gerade Benediktiner und Benediktinerinnen setzten sich jahrhundertelang für die Urbarmachung und Gesunderhaltung der vom Schöpfer den Menschen anvertrauten Erde ein.

Das Besondere unseres Gartens ist wohl zum einen seine Geschlossenheit. Der etwa 2.000 Quadratmeter große Kloster- garten vereint harmonisch sämtliche Eigenschaften, die auch ein großer Familiengarten haben sollte: zunächst einen Nutzgarten mit Gemüse, Salat, Beeren, Obstbäumen sowie Kräutern. Dann den Ziergarten mit Sonnenblumen und anderen Einjährigen, mit Stauden, Rosen und Gehölzen. Zudem ist der frühmittelalterliche Kräutergarten der Reichenau in unseren Garten integriert. Im hinteren, halbschattigen Bereich wiederum steht die Kompostanlage mit einem zweckmäßigen Gärort für vielerlei Pflanzenjauchen und Kräuterbrühen. Zum Glück haben wir auch ausgedehnte Dachflächen, deren Wasser wir unterirdisch sammeln können. Und es gibt stille Sitzplätze für Gespräche.

Für uns ist der Klostergarten einerseits ein wichtiger Arbeitsplatz. Einen großen Teil unseres Gemüse-, Obst- und Kräu- terbedarfs liefert uns der Garten. Da der Garten ohnehin biologisch bewirtschaftet wird, ist er damit zugleich ein Lehrgarten für biologischen Anbau. Das gehört für mich in den Arbeitsplatz Garten mit hinein. Die Erfahrungen, die wir in der kleinen Gartenzeitschrift „Winke für den Biogärtner“ und zu anderen Themen herausgeben, sind zudem ein wichtiger Beitrag zur Finanzierung des Klosters. Der Garten ist aber auch ein wichtiger Erholungs- und Meditationsraum. Zu jeder Jahreszeit ist er eine Oase. Denn wann immer wir durch unseren Garten gehen, ob im Frühjahr, Sommer, Herbst oder Winter, immer hält er für uns viele Schönheiten und Freuden bereit, die das Leben ein wenig heller, freundlicher und liebenswerter machen.

Die Klostermauern sorgen für ein besonderes Kleinklima

Die Klostermauer hält manchen Lärm und Schmutz der Stadt fern. Es ist aber sehr wichtig, dass die Stadt nicht außen vor bleibt, sondern vielfältige Beziehungen und gegenseitiger Austausch möglich sind. Auch, dass wir das Stadtleben hautnah erfahren, gehört für mich zum Leben in einem Kloster mitten in der Stadt.

Durch die hohe Klostermauer ergibt sich in unserem Garten ein besonderes Kleinklima. Wenn Nachtfröste in der Umgebung drohen, haben wir im Klostergarten immer noch ein Grad über Null. Das bedeutet, dass wir schon früher anfangen können, Pflanzen ins Freie zu setzen. Durch die jahrzehntelange Humuszufuhr im Garten gedeihen hier nun fast alle Pflanzen gut.

Gern baue ich immer wieder alle Salatarten an, die schnell und problemlos wachsen und schon im Frühjahr den Küchenzettel bereichern. Aber besonders ans Herz wachsen einem natürlich die Pflanzen, die viel Pflege brauchen und fast das ganze Jahr über ihren Platz im Garten beanspruchen. So eine Pflanze ist die Tomate, die von Anfang an besondere Behandlung und Pflege braucht. Dafür ist es dann immer eine besondere Freude, zu sehen, wie sie wächst und Früchte ansetzt, bis dann endlich die erste Frucht rot und reif ist. Nicht zu vergessen sind aber auch die vielen Blumen, die einfach dazugehören.

Mit natürlichen Mitteln ein Gleichgewicht herstellen

Bei uns wird seit mehr als einem halben Jahrhundert nach naturgemäßen Richtlinien gegärtnert, also bereits zu einem Zeitpunkt, als die Begriffe „Öko“ und „Bio“ noch weitgehend unbekannt waren und als chemische Dünge- und Pflanzenschutzmittel sich auch in Kleingärten immer mehr durchsetzten. So wurden unsere Schwestern zu Wegbereiterinnen des biologischen Gartenbaus, deren Erfahrungen heute von Gartenfreunden aus aller Welt geschätzt werden. Es ist spannend und erfüllend, einen Garten biologisch zu bewirtschaften. Denn man braucht dazu keine aufwendigen Geräte oder Präparate, sondern schöpft aus dem, was der Garten selbst bietet. Dem Boden wird so viel Kompost wie möglich zugeführt, sei es über Komposthaufen oder direkt über Flächenkompostierung, und er wird schonend bearbeitet und, soweit möglich, durch Pflanzenabfälle bedeckt. Die Pflanzen werden so miteinander kombiniert, dass sie sich wechselseitig durch ihre Duftstoffe fördern und Schädlinge abhalten. Dabei spielen Kräuter, die in diese Kombinationen einbezogen werden, eine wichtige Rolle, sowohl für die Gesundheit der Gartengewächse als auch für die Gesundheit der Menschen. Auf chemische Dünge- und Pflanzenschutzmittel wird vollständig verzichtet. Wo eine Schädlingsplage droht, greift man auf natürliche Mittel aus Kräutern zurück. So kann sich ein natürliches Gleichgewicht einstellen, das den Lebensraum Garten gesund und fruchtbar erhält und zu einem Raum werden lässt, in dem sich Menschen und Haustiere wohlfühlen. Und was daran besonders schön ist: Jedes Jahr macht man neue Erfahrungen, entdeckt weitere Zusammenhänge, die einem nicht nur vertieftes Wissen vermitteln, sondern die einen im-mer wieder staunen lassen, wie in der Schöpfung alles aufeinander bezogen ist. So wurde die Natur zur Lehrmeisterin für die Grundprinzipien, nach denen unser Garten bis heute bewirtschaftet wird.

Ich versuche in meinen Büchern zunächst, fachlich fundiertes Wissen weiterzugeben, das durch Praxiserfahrungen untermauert ist. Leser und Nutzer dieser Gartenbücher heben in ihren Rückmeldungen immer hervor, dass man den Schriften anmerkt, dass sie nicht nur am Schreibtisch entstanden, sondern ganz aus der Praxis hervorgegangen sind.

Dankbarkeit für die kleinen Wunder

Andererseits kann ich über das, was im Garten vor sich geht und was zu tun ist, nicht schreiben wie über ein mechanisches Tun. Die Freude am Gärtnern, das Staunen und die Dankbarkeit über die vielen kleinen Wunder, die uns der Garten jedes Jahr und zu jeder Jahreszeit neu schenkt, die Geduld, die man beim Umgang mit Pflanzen lernen muss, und die Ehrfurcht vor allem Lebendigen fließen dabei mit ein. Da bekomme ich oft Rückmeldungen, dass in meinen Schriften auch immer die Seele und das Herz mit angesprochen werden. Zwischen Mai und September gibt es für Interessierte auch die Möglichkeit, den Garten kennen zu lernen.

Wenn ich am Abend nach unserer letzten Gebetszeit noch einmal durch den Garten gehe, nach der einen oder anderen Pflanze schaue, vielleicht noch einen abgeknickten Trieb hochbinde und einfach die Abendstimmung auf mich wirken lasse, empfinde ich an manchen Tagen ganz tief die Freude, in Gottes Liebe geborgen zu sein. Sicher kennen viele das Gemälde von Emil Nolde: „Der große Gärtner“. Da neigt sich Gott voller Liebe, ja fast zärtlich einer Blume zu, die gerade vor ihm steht. So schaut Gott jedes seiner Geschöpfe an, lässt jedem Zeit zu wachsen und zu reifen, und dem Menschen, der seine Liebe ganz in sich aufnimmt, schenkt er ein Herz, das seine Liebe weiterschenken kann im ganz alltäglichen Tun. So wünsche ich allen Leserinnen und Lesern, dass sie sich von Gott, dem großen Gärtner, anschauen lassen und spüren, dass sein liebender Blick ihr ganzes Leben umfängt.

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aus “der pilger”: