Aktuelles

Gewohnheit

Was steckt dahinter, dass wir Dinge monoton wiederholen?

Anscheinend erleichtert es Grundvollzüge, wenn wir sie nicht jedes Mal erneut gestalten oder gar zwischen Alternativen zu entscheiden haben. Dann kaufen wir immer wieder dasselbe Produkt. Viele Menschen vollziehen morgens den immer gleichen Ablauf. Was genau wir da tun, bemerken wir erst, wenn wir gestört werden. Das bewährte Produkt ist vergriffen und wir müssen ein anderes aussuchen. Ein unerwarteter Anruf bringt uns morgens aus dem Konzept.

Gewohnheit hat etwas mit Wohnen zu tun. Lateinisch: habitus – habitare. Gewohnheit ist Gerüst, das den Alltag vereinfacht. Sie ist Struktur. Verlässliche Vollzüge halten uns offen für Herausforderungen.

Nicht umsonst kennt jede Religion Rituale. Sie sind reflektierte Wiederholung, weil sie das Verloren-Geglaubte beständig „wieder holen“, also erneuern. Das hat etwas mit Heimkehr zu tun.

In der geistlichen Tradition kennen wir das „habitare secum“, das Wohnen mit sich selbst. Wir sind in unserem Inneren zuhause. Die Übung schafft einen inneren Ankerpunkt für Herausforderungen, sie erinnert uns im Stress, dass es in uns Punkte gibt, die von den Äußerlichkeiten unberührbar bleiben.

Das Gewand der Mönche heißt vielleicht aus diesem Grunde „Habit“. Es erinnert uns daran, dass wir uns immer mehr in die Gegenwart Gottes ein-wohnen. Auch Profis wie Mönche vergessen das schon mal. Wenn wir dann den Habit anziehen werden wir an unser wesentliches Ziel erinnert. Das Gewand vergewissert, dass wir unserer Sehnsucht nicht nur durch Nachdenken folgen, sondern vor allem durch das Tun. Das stärkt das Vertrauen, dass das Ritual eine Rückwirkung auf unsere Persönlichkeit bewirkt.

Es scheint paradox: Wenn wir Dinge wiederholen, Gewohnheiten pflegen, Rituale vollziehen, dann geschieht darin eine innere Veränderung. Geistliche Entwicklung ist eine Lebenskunst. Wir wissen genau: Wenn wir eine Beethovensonate auf dem Klavier spielen wollen, kommen wir um ständiges Üben nicht herum. Wiederholung ist die Grundlage aller Kunst, bevor sie unwiederholbar wirkt, genial im Moment und wie mit einer geheimen Verbindung zur Ewigkeit.

Teilen auf