Gärten sind vielgestaltige Bilder. Als populäres Bild ist spätestens seit dem 19. Jahrhundert nachweisbar, dass die Tätigkeit der Mönche mit der Schaffung eines Gartens verglichen wird. Theodor Fontane, der berühmte Wanderer durch die Mark Brandenburg, schrieb über das Zisterzienserkloster Lehnin in der Zauche, unweit von Brandenburg an der Havel:
»Was jetzt Wiese und Garten ist, das war vor 700 Jahren ein eichenbestandener Sumpf, und inmitten dieses Sumpfes wuchs Kloster Lehnin auf, vielleicht im Einklang mit jenem Ordensgesetz aus der ersten strengen Zeit: dass die Klöster von Cisterz immer in Sümpfen und Niederungen, das heißt in ungesunden Gegenden, gebaut werden sollten, damit die Brüder dieses Ordens jederzeit den Tod vor Augen hätten.«[1]
Blühende Landschaften konnten und können gut mit Gärten assoziiert werden. Bei Fontane erhält die Rede über die Zisterzienser als Schöpfer von Gärten und Wiesen, nebenbei bemerkt, auch einen kulturkritischen Zungenschlag zur Mark Brandenburg: »An wenigen Orten mochten die Vorzüge dieses Ordens deutlicher hervortreten als in der Mark, weil sie nirgends ein besseres Gebiet für ihre Tätigkeit fanden. Wo die Unkultur zu Hause war, hatten die Kulturbringer ihr natürlichstes Feld.«[2]
Solche allgemeinen Überlegungen zwingen dazu, etwas genauer zu sagen, was ein Garten ist. Gärten sind an ihrer Einhegung, ihrem Zaun erkennbar. Ursprünglich hängt das Wort Garten wohl mit der Gerte zusammen, die zum Flechten des Zaunes diente. Der Zaun grenzte ab. Der Zaun ist es, der ein Stück Land zu einem Garten macht. Namen wie der Tiergarten verraten uns, dass nicht nur Pflanzen in einem Garten gedeihen sollten, sondern der Zaun auch Tiere einhegen kann. Gärten können inmitten anderer Felder besondere Kulturen schützen, woran uns Namen wie Weingarten oder Hopfengarten erinnern. Auf mittelalterlichen Bildern wird das Paradies als Garten dargestellt.
Bei unserem Ausflug in die Welt der Klostergärten soll zunächst der unmittelbare Klosterbereich betrachtet werden. Diese Gärten waren viel eher als die Feldarbeit geeignet, auf ganz praktischem Wege Gebet mit Arbeit zu verbinden. Sie lagen nahe genug an der Klosterkirche, wo sich die Gemeinschaft mehrmals täglich zum Gebet versammelte. In diesem räumlichen Beieinander konnten Mönche oder auch Nonnen in sinnvollster Weise ihrer Pflicht nachkommen, Gebet und Arbeit miteinander zu verbinden. Wie stark derartige Rationalität bereits bei der Gestaltung des Klosterkomplexes war, belegt eindringlich der ideale Plan eines Klosters mit seinen Gebäuden und Gärten, der im 9. Jahrhundert auf der Insel Reichenau angefertigt wurde. Bestimmt war er für den Abt des Klosters von St. Gallen, weshalb er in der Forschung allgemein als »St. Galler Klosterplan« bezeichnet wird.
Dieser einzigartige Plan verzeichnet neben der Kirche des Klosters die Klausur mit Schlaf- und Speiseraum sowie andere Räume für die Mönche. Häuser zum Backen, Kochen und Brauen sind zu sehen, auch an ein Hospital wurde gedacht. Eine Reihe von Wirtschaftsbauten wie auch Bauten für Handwerker sind mit Sorgfalt eingezeichnet. Auf der östlichen Seite des Plans liegen die Gärten: ein Gemüse-, ein Baum- und ein Kräutergarten. Gut sichtbar ist, dass sie »mit Mauern und Zäunen umschlossen« sind. Ein ausgeprägter »Sinn für funktionale Beziehungen« wohnt ihrer Anlage inne[3]. Im Gemüsegarten und im Kräutergarten gibt es rechteckige Beete, die im Falle des Kräutergartens etwas kleiner sind. Letzterer ist einem benachbarten Arzthaus zugeordnet, während für das Gemüse ein besonderer Gärtner zuständig ist, der ein eigens für ihn errichtetes Haus neben dem Garten bewohnt. Seiner Verantwortung sind unter anderem Zwiebeln, Lauch, Mohn, Rettich, Kohl, Knoblauch und Kümmel anvertraut. Für medizinische Zwecke werden im Kräutergarten beispielsweise Lilien, Rosen, Bohnen, Minze, Salbei, Liebstöckel und Fenchel gehalten. Im Baumgarten gibt es neben Gruppen von Gehölzen (Feige, Lorbeer, Apfel, Pflaume, Birne und anderes mehr) vor allem Gräber. 14 Grabfelder sind für jeweils sieben Mönche bestimmt. Für die verwendeten Zahlen und Pflanzen dürfen symbolische Bedeutungen vermutet werden.
Der französische Historiker Georges Duby (1919-1996) sieht in solcher Symbolik einen Kern der sich mehr als zweihundert Jahre nach der Entstehung des St. Galler Klosterplans entwickelnden Kunst des Zisterzienserordens. Auch dabei treffen sich Kloster und Garten:
»(…)in der Mitte der Einfriedung ist das Kloster das Abbild des wiedererschaffenen Paradieses. Ein Bereich, in dem sich die Zähmung des weltlichen Chaos vollendet, wo alles Kosmische wieder geordnete Sammlung, musikalischer Akkord ist. Von dieser letzten Befreiung, der wiedergefundenen Fülle zeugt bereits die Form des Baus. Der Bau ist quadratisch wie die Stadt Gottes, und diese Quadratur erinnert den meditativen Geist an die vier Ströme des Gartens Eden, die vier Quellen, die die vier Evangelien sind(…)«[4]
Deutlich wird hier ein Bezug klösterlicher Gärten ebenso wie der gesamten Klosteranlage zu Zahlen und Formen, die ihrerseits vielfältige Hinweise auf die Welt hinter den endlichen irdischen Dingen enthalten. Auch in den Bereichen, die vordergründig als Nutzgarten für Gemüse, Kräuter und als Friedhof erscheinen, lebt die Kontemplation, der andächtige Bezug zu einer anderen Welt. Eine strikte Unterscheidung von Nutzgarten und Lustgarten, wie sie in jüngerer Zeit geprägt wurde, kann für die klösterlichen Verhältnisse des Mittelalters in die Irre führen. Auch Nutzgärten konnten in mittelalterlichen Klöstern spirituelle Orte sein[5]. In dem gartenhistorisch außerordentlich bedeutenden Lehrgedicht De Cultura Hortorum des Benediktinermönches Walahfrid Strabo (gest. 849) ist dieser Sinn deutlich: »Der Mönch erlebt im Klostergarten den Ort der Askese und Kontemplation, seinen hortus conclusus als locus amoenus.«[6]
Suchen wir den Bereich weit außerhalb der Klosteranlage auf, gab es freilich auch eingezäunte Bereiche und damit »Gärten« für besondere landwirtschaftliche Kulturen. Zu den wichtigsten Sonderkulturen rund um das Kloster gehörten Obstgärten. Es verwundert nicht, dass in dem archäologisch untersuchten Kloster Seehausen bei Prenzlau zahlreiche Obstkerne aus klosterzeitlichen Fundschichten geborgen werden konnten.[7] Große Aufmerksamkeit haben in der Forschung der letzten Jahre einstige Weingärten gefunden, die deutlich nördlich des Rhein-Main-Gebietes betrieben wurden.[8] Auch Hopfengärten gehören zu den erwähnenswerten Sonderkulturen. Schon im Altertum wurde die Pflanze zu Heilzwecken verwendet. Seit dem frühen Mittelalter zum Würzen und zur Erhöhung der Haltbarkeit von Bier gebraucht, finden sich Präparate dieser Pflanze heute auch bei der Behandlungen von Schlafstörungen.[9]
Das für eine breite Öffentlichkeit interessanteste Feld zeichnet sich jedoch am Horizont all der beschriebenen Gärten ab. Die Hege und Pflege von Sonderkulturen – vom Obstbaum bis hin zu Heilkräutern – machte die Weitergabe des für die Haltung erforderlichen Wissens nötig. Sehr früher Beleg für die klösterliche Beschäftigung mit Heilkräutern ist das Lorscher Arzneibuch aus dem letzten Jahrzehnt des 8. Jahrhunderts. Zahlreiche weitere Schriften im Bereich der Klostermedizin folgten.[10] Die Schriften der Äbtissin Hildegard von Bingen (1098-1179), beruhend auf der antiken und mittelalterlichen Vier-Säfte-Lehre sowie einer tief kontemplativen Sicht auf weltliche Dinge, haben heute geradezu Eingang in die Popkultur gefunden.
An vielen Orten werden klösterliche Gärten rekonstruiert. Es sind kleine Kräutergärten wie am Mönchskloster in Jüterbog oder barocke Anlagen wie in Neuzelle. Mit ihren Farben oder auch mit den Gerüchen ihrer Kräuter bilden sie interessante Anziehungspunkte für ein aufmerksames Publikum.