5. Klosterland e. V. Netzwerktreffen in den Niederlanden
Bericht zum Netzwerktreffen von Dr. Ursula Röper (Beirat) und Stefan Beier (Vorstand)
Bericht zum Netzwerktreffen von Dr. Ursula Röper (Beirat) und Stefan Beier (Vorstand)
Vor gut einem Jahr konnte der niederländische Theologe Paul Wennekes, der dort 2020 das NICC-Projekt (Networking Intentional Christian Communities) ins Leben rief und heute leitet, als Mitglied im Netzwerk Klosterland e. V. gewonnen werden. Das ökumenische NICC-Projekt untersucht Zukunftsperspektiven des religiösen Gemeinschaftslebens in den Niederlanden, Flandern und Deutschland. Paul Wennekes erforscht schon länger Ordensgemeinschaften. Wer also könnte – mit einem solchen Erfahrungsschatz ausgestattet – besser zu Klosterland e.V. passen, obgleich die Ordensgemeinschaften resp. Klöster, die er in dem NICC-Netzwerk zusammenführt, meist noch aktiv sind, aber auch stetig kleiner werden und unter Nachwuchsmangel leiden. So sind für die niederländischen Orden und ihre Klöster Lösungen gefragt, wie zukünftig einerseits mit dem spirituellen Erbe, wie andererseits aber mit den Liegenschaften umgegangen werden soll, wenn nicht irgendwann säkulare Interessenten übernehmen sollen. Diesen Fragen widmet sich das NICC-Projekt und versucht, die einzelnen Beteiligten untereinander zu vernetzen, um durch neue Kommunikationsstrukturen Ideen und Anregungen für Lösungen auszutauschen.
Auch wenn in Klosterland e.V. nicht vorwiegend ‚aktive’ Ordensgemeinschaften resp. Klöster vernetzt sind, so ist die Grundfrage für alle Klöster und ihre Nutzer*innen ähnlich: Wie geht man mit dem historischen, oft denkmalgeschützten und religiös geprägten Erbe um? Welche Nutzungsschichten können für die Zukunft herausgearbeitet, welche den heutigen Fragen, Problemen und Anforderungen angepasst werden? Welche Konzepte sind die jeweiligen Träger der Liegenschaften bereit zu finanzieren und welche Kooperationspartner könnten sich finden lassen?
So lag es nahe, das Netzwerktreffen 2022 in Kooperation mit Paul Wennekes durchzuführen, um sich von den niederländischen Fragen und Antworten inspirieren zu lassen. Paul Wennekes hatte ein umfangreiches Programm zusammengestellt, in dessen Mittelpunkt der Besuch von Klöstern stand, die entweder Lösungsansätze für sinnvolle zukünftige Nutzungen bereits gefunden und umgesetzt haben oder aber mitten im Entwicklungsprozess stecken. Nebenbei stellte er uns seine Heimatregion Brabant vor, in dem wir die schönen Städte Heusden und ‘s-Hertogenbosch und weiter die Stadt Utrecht kennenlernten.
Während des gesamten Netzwerktreffens hatten wir Quartier genommen in der Klosteranlage Mariënkroon in Nieuwkuijk, in der wir über mehrere Tage hinweg die Gastfreundschaft von einem Team eines um- resp. weitergenutzten Klosterensembles erleben konnten. Ausgangspunkt für dieses Kloster war ein immer wieder vorgefundenes Muster: Eine Flucht von Orden in die religiös toleranten Niederlande zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Bezüglich Mariënkroons war es eine Gemeinschaft von Zisterziensern aus der Nähe von Paris in Frankreich, die 1904 den alten Adelssitz in Nieuwkuijk erwarb und zu seiner neuen Wirkungsstätte machte. Es sollte sich zu dem einzigen aber mitgliederstarken Zisterzienserkloster der Niederlande entwickeln. Doch verlor auch hier die Gemeinschaft bald an Nachwuchs und so verkaufte der Orden 2002 das Gelände an die sog. Fokolarbewegung, die das Gelände heute einerseits als Lebensraum für einige seiner Mitglieder betreibt, aber dort auch sozial engagiert ist und bspw. Flüchtlingen aus der Ukraine eine Unterkunft bietet und ein Tagungszentrum mit Gästehaus führt. Die Fokolarbewegung ist eine weltweite Gemeinschaft von Gläubigen, die ihre ursprünglich katholische Ausrichtung geöffnet hat und nunmehr Menschen aus unterschiedlichen Konfessionen offen steht. Ihre Spiritualität ist auf dem Begriff der Liebe aufgebaut.
Im Verlauf unserer Besichtigungstour waren vor allem drei Klöster und ihre bereits gefundenen Lösungsansätze besonders interessant:
1) Das sog. Heilige Dreieck in Oosterhout: Drei Ordensgemeinschaften leben hier unabhängig voneinander in unmittelbarer Nachbarschaft: Die Benediktinerinnenabtei ‚Unsrer lieben Frau’ (gegr. 1901), die Benediktinerabtei St. Paulus (gegr. 1907, heute Französische Kommunität Chemin Neuf und das Norbertinerinnenkloster St. Catharinadal mit jeweils umfangreichen Klostergebäuden und Liegenschaften. Am faszinierendsten von diesen drei Klöstern – auch bezüglich ihres Umnutzungskonzeptes – ist das aus dem 17. Jahrhundert stammende Norbertinerinnenkloster St. Catharinadal, das entgegen allen regional üblichen landwirtschaftlichen Usancen seine umfangreichen Ländereien in Weinberge verwandelt hat. Das Kloster ist so zugleich zu einem weit über die Region hinaus wirkenden Weingut geworden, das die zukünftige finanzielle Absicherung des Klosters gewährt. Die Priorin erläuterte beeindruckend den Werdegang dieses Nutzungskonzeptes und war überzeugt davon, dass das Weingut in ihrem Sinne weiterhin Bestand haben wird, auch wenn es den zunehmend kleiner werdenden Konvent der Norbertinerinnen nicht mehr geben würde.
2) Das ‚Kloosterhotel Zin’ in Vught, das den Fratres von Tilburg gehört, errichtete in seinem ehemaligen Kloster-Altenheim (ehemaliges Gutshaus mit Parkanlage), auf dem sich auch der Friedhof des Gesamtordens befindet, ein unter ökologischen Prinzipien umgebautes und erweitertes Tagungshotel, in dem einerseits Menschen mit Behinderungen Arbeitsplätze gefunden haben, das andererseits für Berufstätige Fortbildungen ‚met Zin’, d.h. unter spirituell, ethischen Gesichtspunkten anbietet. Das Kloosterhotel ‚Zin’ ist auch offen für Künstlerstipendien.
3) Das Erfgoedcentrum Nederlands Kloosterleven in Sint Agatha: Das Kreuzherrenkloster (mit heute noch vier dort lebenden Ordensleuten) beherbergt das gemeinsame Archiv verschiedenster niederländischer Orden. Es hat ein Museum und einen denkmalgeschützten Klostergarten. Kleine, immer älter werdende Ordensgemeinschaften können ihre Archive und beweglichen historischen Güter dort zur zukünftigen Nutzung und Überlieferung sichern. Dieses Nutzungskonzept für eine ehemalige Klosteranlage überzeugte fachlich und inhaltlich. Zugleich wurde hier noch einmal besonders deutlich, dass die niederländische Ordens- und Klosterlandschaft für ihre Nutzungskonzepte keine Unterstützung der öffentlichen Hand erhält, sondern eigene Finanzierungskonzepte erarbeiten muss. Konkret heißt das im Falle der Archivsicherung des religiösen historischen Erbes der niederländischen Ordenslandschaft, dass die Orden, die Archivgut dorthin geben, dafür bezahlen müssen. Meist ist dies aufgrund der ererbten Liegenschaften auch möglich. Dennoch ist die Arbeit nur durch zusätzliche Einnahmen aus vermietetem Wohnraum möglich, bevorzugt an Leute von außen mit Sympathie für „klösterliches Leben“.
Diese drei Beispiele für gelungene Lösungen für Weiternutzungen von Klöstern unter Bewahrung der ererbten Spiritualität wurde noch ergänzt durch ein Gespräch in Utrecht mit dem Laiendominikaner Prof. Erik Borgman, der in einer kleinen ehemaligen Dominikaner-Klosteranlage im Utrechter Stadtteil Oog in Al, noch um Lösungsansätze zur Bewahrung der Anlage ringt.
Mit zwei traditionsreichen musealen Umnutzungen in säkularisierter Hand – dem größten niederländischen Sakralmuseum im Catharijneconvent in einem aus dem Mittelalter stammenden ehemaligen Karmeliterinnenkloster in Utrecht, das heute als Nationalmuseum geführt wird (Rijksmuseum ) und dem Jheronimus Bosch Art Center (Museum für Hieronymus Bosch in Trägerschaft eines Vereins) in ‘s-Hertogenbosch, in der aus dem 19. Jh. errichteten umgewidmeten Kirche St. Jakob hatte Paul Wennekes noch zwei Orte in das Programm aufgenommen, die zeigten, dass in der seit Jahrzehnten dauernden Umnutzungsdebatte von sakralen Gebäuden, Nutzungen möglich sind, die trotz säkularer Trägerschaft an die ursprüngliche religiöse Nutzung anknüpften.
Im Vorprogramm des Netzwerktreffens bestand die Möglichkeit, sich intensiv mit dem Klosterdorf Steyl zu beschäftigen. Die sog. Steyler Missionare sind in Deutschland zwar gut bekannt, doch der Gründungssitz mit seinen Klosteranlagen liegt in den Niederlanden grenznah zu Deutschland. Auch hier gilt, dass der Gründer Arnold Janssen im ausgehenden 19. Jh. in Deutschland keine Möglichkeit sah, seinen missionarischen Bestrebungen nachzugehen. Zur ursprünglich begründeten Gemeinschaft der Steyler Missionare (Männer) gesellten sich sehr bald ein weiblicher Zweig der Gemeinschaft (Steyler Missionsschwestern) hinzu und schließlich auch die Gemeinschaft der Anbetungs- oder auch Klausurschwestern, die eine religiös-spirituelle Unterstützung der Missionar*innen anstrebten. Alle drei Gemeinschaften beleben und bewirtschaften gemeinsam das Klosterdorf.
Während den persönlichen Begegnungen mit Vertreter*innen der Steyler Missionare und Missionsschwestern bekamen wir einen tiefen Einblick in die Geschichte des Ordens und in die Entwicklung der Missionsarbeit. Dass das Thema „Mission“ auch für die Teilnehmer*innen in unserer Gruppe eher mit Bedenken betrachtet wird, muss hier nicht weiter ausgeführt werden. Jedoch wurde uns allen schnell klar, dass die heutige Arbeit in Steyl auch unter anderen Aspekten gesehen wird: und zwar stehen Hilfe und Unterstützung bei Armut und Not sowie Aufgaben in der Bildungsarbeit im Zentrum der Arbeit. Besonders beeindruckend war für uns jedoch die enge internationale Vernetzung und der entsprechende Austausch in alle Teile der Welt, die gleichwohl wiederum vice versa dazu führt, dass in Steyl „die Welt zusammenkommt“ und die Probleme der Welt hier sehr persönlich verfolgt werden.
Wie in vielen anderen Orden leben auch in den Steyler Gemeinschaften viele Frauen und Männer nichteuropäischer Herkunft, für die zugleich Europa eher zum Missionsgebiet avanciert ist. Dennoch wird der Ursprungsort dieser Bewegung geehrt. Sicherlich sind die heutigen Gebäude trotz außereuropäischem Zuwachs in den Gemeinschaften viel zu groß, und doch versucht man auch in Steyl die Nutzung durch Formen zu ergänzen, die der Idee eines internationalen Glaubenslebens entspricht.
Auch wenn im ausgehenden 20. Jahrhundert sowohl in den Niederlanden als auch in Deutschland aufgrund massivem Mitgliederschwund die Umnutzungsdebatte um die Zukunft von sakralen Gebäuden an Fahrt aufnahm und manche sakrale Liegenschaften nach Entwidmungen für völlig säkulare Nutzungen wie z. B. Wohnungen umgebaut wurden, so bleibt nach wie vor richtig, was Paul Wennekes in seinen Forschungen feststellte: Deinstitutionaisierung bedeutet noch lange nicht Säkularisierung der Gesellschaft. Dem ist in allen weiteren Nutzungsüberlegungen sicherlich Rechnung zu tragen.